ERC Starting Grant zur Erforschung der intrinsischen Orbitaldynamik von Kagome-Supraleitern
Chunyu Guo, Gruppenleiter in der Abteilung für mikrostrukturierte Quantenmaterie am (MPSD), hat für sein Free-Kagome-Projekt einen Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) erhalten. Er wird die neuartigen Effekte elektronischer Korrelationen in der kürzlich entdeckten AV3Sb5-Familie von Kagome-Supraleitern untersuchen und dabei ein ausgeklügeltes System verwenden, welches die Proben von äußeren Einflüssen isoliert und es ermöglicht, sie mit extrem hoher Präzision zu kontrollieren.
Die atomare Struktur von Kagome-Materialien ähnelt dem Muster der japanischen Korbflechtmethode, nach der sie benannt sind. Auf diesem Gitter kann eine nichttriviale elektronische Ordnung von magnetischen Ringströmen auftreten. Er ist auch dafür verantwortlich, die Händigkeit der chiralen Ladungsordnung festzulegen und ein magnetisches Moment zu erzeugen. Dies führt zu einer robusten Verschränkung zwischen den magnetischen, elektronischen und strukturellen Freiheitsgraden und bedeutet, dass die Manipulation einer Ordnung gleichzeitig eine andere beeinflussen oder verändern kann, ähnlich wie bei den einzigartigen elektromagnetischen Reaktionen der Multiferroika. Dadurch sind jedoch die intrinsischen Eigenschaften mit konventionellen Mitteln nicht zugänglich, denn selbst geringfügige Veränderungen der experimentellen Bedingungen können die physikalischen Eigenschaften dieser Materialien erheblich beeinflussen.
In seinem ERC-Projekt wird Chunyu Guo die intrinsische Orbitaldynamik in Kagome-Materialien mit drei verschiedenen Ansätzen untersuchen: Durch atomares Engineering der 2D-Kagome-Netze, durch schnelles Abkühlen, um 3D-Kagome-Glas zu erzeugen, und durch optische Kontrolle der chiralen Domänen mittels polarisiertem Licht. Jeder Schritt wird eindeutige Informationen über die intrinsischen elektronischen Ordnungen in AV3Sb5 liefern.
Guo und sein Team bringen aufgrund ihres wissenschaftlichen Hintergrunds und ihrer Expertise im Umgang mit der FIB-Technologie (Focused Ion Beam) herausragende Fähigkeiten in dieses Forschungsgebiet ein. Mit dem FIB lassen sich AV3Sb5-Mikrostrukturen mit nanometrischer Präzision herstellen, die an extrem weichen Federn aus dünnen Siliziumnitridmembranen aufgehängt werden. Dieser einzigartige, kräftefreie Aufbau ermöglicht eine erhebliche Reduktion der Materialverspannungen von mehr als 99 % im Vergleich zu einem herkömmlichen Aufbau. Ohne diese innovative Methode würde das Material aufgrund von Restdehnungen drastische Veränderungen aufweisen, so dass es unmöglich wäre, seine intrinsischen Eigenschaften zu untersuchen.
„In den letzten Jahren haben wir uns der Entwicklung dieser Technik gewidmet“, sagt Chunyu Guo. „Dank des ERC Starting Grants können wir nun endlich die faszinierenden korrelierten Ordnungen in Kagome-Supraleitern untersuchen.“
Das Projektteam ist in der Abteilung für mikrostrukturierte Quantenmaterie unter der Leitung von Philip Moll angesiedelt, die 2021 an der MPSD gegründet wurde. Die Forschenden untersuchen Quantenmaterialien, deren Elektronen sich grundlegend anders verhalten als beispielsweise Kupfer oder Silizium. Sie wenden kontrollierte Verzerrungen und deren Gradienten auf mikrostrukturierte Materialien an, deren Stärke in makroskopischen Kristallen unmöglich zu erreichen ist.
Chunyu Guo erwarb seinen Bachelor-Abschluss (2014) und seinen Doktortitel in Physik (2019) an der Zhejiang-Universität in China, bevor er sich der Moll-Gruppe an der EPFL in der Schweiz anschloss. Im Jahr 2022 wechselte er mit der Gruppe zum MPSD.
Der Europäische Forschungsrat vergibt Starting Grants von bis zu 1,5 Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren an herausragende junge Forscher*innen mit einer vielversprechenden wissenschaftlichen Erfolgsbilanz.
Die MPSD ist eines von mehr als 80 Instituten der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), die Grundlagenforschung in den Natur-, Lebens-, Sozial- und Geisteswissenschaften betreiben. Es befindet sich in der Science City Hamburg-Bahrenfeld, deren erstklassige Forschungsinfrastruktur und breites Spektrum an Lichtquellen den idealen Rahmen für Pionierarbeit in den Materialwissenschaften bietet.