Team verfolgt Molekülbewegungen bei Singulett-Exzitonenspaltung in Echtzeit
Die Energieerzeugung in lichtbasierten Technologien beruht auf der Fähigkeit von Materialien, Licht in elektrische Energie umzuwandeln und umgekehrt. Bestimmte organische molekulare Festkörper haben die besondere Fähigkeit, den Wirkungsgrad der Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie deutlich zu erhöhen, und zwar dank der Singulett-Exzitonenspaltung. Bei diesem Prozess werden zwei Elektronen-Loch-Paare, die sogenannten Exzitonen, durch die Absorption eines Lichtquants (eines Photons) erzeugt. Aufgrund des hohen technologischen Potentials werden enorme Forschungsanstrengungen unternommen, um den SEF-Prozess grundlegend zu verstehen.
Die Effizienz und Geschwindigkeit der Singulett-Exzitonenspaltung wird von subtilen Details bestimmt, die mit der Anordnung der Moleküle im Material zusammenhängen. Trotz einer Vielzahl von Studien zu diesem Thema war es bislang jedoch nicht möglich, die Molekülbewegungen in Echtzeit zu beobachten, um zu verstehen, wie genau dies den SEF-Vorgang ermöglicht. Für die Optimierung von SEF-Materialien und die Steigerung ihrer Effizienz ist das Verständnis dieses Puzzlestücks jedoch von großer Bedeutung.
In der Studie, heute in Sciences Advances veröffentlicht, konnte das Forschungsteam verfolgen, wie sich Moleküle in einem kristallinen Material aus Pentacen-Molekülen während des SEF-Prozesses bewegen. Die Forscher*innen verwendeten eine experimentelle Technik namens "Femtosekunden-Elektronenbeugung", welche Schnappschüsse der atomaren Struktur in Echtzeit einfängt, während sich der SEF-Prozess entfaltet. Da Pentacen aus besonders kleinen und leichten Atomen besteht, mussten die Messungen eine außergewöhnliche Stabilität und Auflösung erreichen.
„Wir haben solche Experimente an einen Punkt gebracht, an dem sie auch mit diesen anspruchsvollen Materialien umgehen können, was für die Chemie, Biologie und Materialwissenschaft sehr spannend ist", sagt Heinrich Schwoerer vom MPSD. "Die Messungen haben gezeigt, dass wirklich kollektive Molekularbewegungen den SEF-Prozess in Pentacen begleiten. Konkret haben wir eine ultraschnelle delokalisierte Schwingung von Pentacen-Molekülen identifiziert, die einen effizienten Energie- und Ladungstransfer über große Distanzen ermöglicht."
Dank modernster Theorie konnte das Team die molekularen Bewegungen aufdecken, die an dem anfänglichen Anregungsereignis beteiligt sind und wiederum komplexere molekulare Bewegungen auslösen, an denen viele Moleküle des Kristalls beteiligt sind. „Mit unserer Theorieanalyse konnten wir sehr komplexe Molekularbewegungen auflösen. Es ist uns gelungen, eine dominante Bewegung zu identifizieren, bei der Moleküle gegeneinander gleiten. Diese kann nur durch die Kopplung elektronischer Anregungen an andere, stärker lokalisierte Molekularbewegungen ausgelöst werden, die dann an diese, auch im Experiment beobachtete, Schlüsselbewegung koppeln", sagt Mariana Rossi, Leiterin der unabhängigen Lise-Meitner-Forschungsgruppe Simulations from Ab Initio Approaches: Structure and Dynamics from Quantum Materials, welche am MPSD angesiedelt ist.
Solche kollektiven atomaren Bewegungen könnten entscheidend sein, um zu erklären, wie sich die beiden beim SEF-Prozess erzeugten Exzitonen trennen können. Dies ist eine Voraussetzung, um ihre Ladungen in einem Solarenergiegerät zu extrahieren.
„Einfach ausgedrückt beobachten wir, dass diese molekularen Bewegungen effizient die Kräfte neutralisieren, die die beiden Exzitonen gleich nach ihrer Erzeugung zusammenhalten", sagt Hélène Seiler, Postdoktorandin am FHI in der Gruppe von Ralph Ernstorfer und Hauptautorin der Studie. „Die Bewegungen liefern eine mögliche Erklärung für den Ursprung der ultraschnellen Zeitskalen, die mit der Spaltung verbunden sind, und ermöglichen so die hohe Effizienz der Umwandlung von Solar- in elektrische Energie.“
„Diese Arbeit liefert nicht nur wichtige Einblicke in den SEF-Prozess selbst, sondern zeigt auch, dass es möglich ist, atomare Bewegungen in komplexen, funktionalen organischen Festkörpern aufzulösen, die äußerst empfindlich sind und aus leichten Atomen bestehen", so Sebastian Hammer vom Lehrstuhl der Experimentellen Physik VI der Universität Würzburg.