Molekulare Quantenschalter nutzen Wasserstofftunnel mit Hilfe des Substrats
Die Entwicklung miniaturisierter technologischer Komponenten macht die molekularbasierte Nanotechnologie zu einem ständig wachsenden Interessengebiet. Hier werden einzelne Moleküle zu den grundlegenden Komponenten von elektronischen Geräten. Die schiere Vielfalt der möglichen molekularen Architekturen und die Möglichkeit, die Molekülsynthese präzise zu steuern, öffnen die Tür zu endlosen funktionalen Komponenten. Die größte Herausforderung besteht jedoch darin, die Kontrolle über diese Funktionen im Nanobereich zu erlangen, wo quantenmechanische Effekte in den Vordergrund treten.
Das Porphycen-Molekül ist ein Beispiel für den Prototyp eines molekularen Schalters. Porphycen ist ein strukturelles Isomer von Porphyrin mit starken H-Bindungen in seinem inneren Hohlraum. Seine Schaltfähigkeit beruht auf einer in der chemischen Physik sehr grundlegenden Reaktion: Einem doppelten Wasserstofftransfer, der die Positionen der Wasserstoffatome im inneren Hohlraum vertauschen und so verschiedene Zustände (an/aus) des Moleküls definieren kann. Dieser Prozess wird als Tautomerisierung bezeichnet. Um die atomare Struktur und die Schaltgeschwindigkeit dieser Moleküleinheiten zu kontrollieren und zu messen, werden sie typischerweise immobilisiert, indem man sie mit Metalloberflächen in Kontakt bringt. Daher müssen Forscher die Wasserstoffdynamik in einer Umgebung verstehen, wo sich die Wechselwirkung zwischen den Atomen innerhalb des Moleküls qualitativ von der zwischen dem Molekül und der Oberfläche unterscheidet.
In diesem Zusammenhang wurde Porphycen umfassend mit Einzelmolekül-Experimentiertechniken untersucht. Forscher haben mehrere rätselhafte Aspekte der Tautomerisierungsrate über verschiedene Temperaturbereiche beobachtet. Bei bestimmten Temperaturen verhalten sich die Atome nicht mehr wie klassische Teilchen, sondern können stattdessen durch Barrieren tunneln. In Analogie zu einem Berg würden die Atome sofort zwischen zwei Tälern in einer geraden Linie unter dem Berg hindurch schießen, anstatt die längere Strecke über den Berg und wieder hinab zurückzulegen.
In ihrer neuen Arbeit, nun in PRL veröffentlicht, untersuchen Yair Litman und Mariana Rossi diesen unterstützten molekularen Schalter mit modernster Methodik und neuen Computeralgorithmen: Einer Kombination aus Dichtefunktionaltheorie und Ring-Polymer-Instantonen. Dies ermöglichte die Untersuchung solcher Systeme mit atomistischen Simulationen im großen Maßstab, die sowohl Elektronen als auch Kerne als quantenmechanische Teilchen behandeln. Die Autoren zeigen, dass für Porphycen, das an Cu(110)- und Ag(110)-Oberflächen adsorbiert ist, die Wasserstofftransferreaktion tatsächlich einen großen Beitrag des nuklearen Tunnelns darstellt, selbst bei Temperaturen nicht weit unter der Raumtemperatur.
Überraschenderweise entdeckten Litman und Rossi, dass mit der Absenkung der Temperatur schwere Oberflächenatome wie Kupfer an der intramolekularen Wasserstofftunnelreaktion teilnehmen und bei einer Temperatur von etwa 80 K eine Erhöhung der Tunnelrate um bis zu zwei Größenordnungen bewirken können. Je stärker die Wechselwirkung des Moleküls mit der Oberfläche (Hybridisierung elektronischer Orbitale), desto ausgeprägter ist die Beteiligung der Oberflächenatome am Tunnelereignis.
Bemerkenswert ist, dass die Autoren auch eine unkonventionelle Temperaturabhängigkeit der Tunnelrate erklären, die zuvor in Experimenten beobachtet wurde. Sie wird verursacht durch eine intermediäre metastabile Struktur in der Reaktion, die nur für eine ultrakurze Zeitspanne von ~100 Pikosekunden existiert (eine Pikosekunde ist ein Billionstel einer Sekunde), so dass sie mit den bislang verwendeten experimentellen Techniken nicht nachgewiesen werden konnte.
Mit diesen neuen Erkenntnissen konnten Litman und Rossi verschiedene Temperaturabhängigkeitsregime der Rate im Tunneling-Regime erklären. Daraus entwickelten sie wiederum ein einfaches Modell zur Vorhersage der Temperaturabhängigkeit für andere Metalloberflächen, an denen der Schalter adsorbiert ist.
Die Autoren liefern wichtige neue Einblicke in die Tatsache, dass bestimmte Eigenschaften des Oberflächenträgers die atomaren quantenmechanischen Eigenschaften der Schaltreaktion in diesen und wahrscheinlich auch in anderen Molekülen beeinflussen können. Sie zeigen zudem, dass Einkristallsubstrate eine ideale Plattform bieten, auf der modernste Theorie und Experiment gemeinsam ein tieferes Verständnis der nuklearen Quantendynamik in komplexen Umgebungen hervorbringen können. Solche fundamentalen Erkenntnisse können die Gestaltung und Interpretation von experimentellen Architekturen in der molekularen Nanotechnologieentwicklung leiten.