Photonen in der Dose: Eine neue Art der Materialgestaltung
Durch neue Entwicklungen von experimentellen Techniken und Fortschritte bei ultraschnellen Laserexperimenten hat sich herausgestellt, dass neben dem Kristall eine weitere Symmetrie die Elektronen beeinflusst: die Symmetrie des Lichts. Jetzt untersuchen Forscher des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD), wie die Kopplung von Symmetrien in Licht und Materie einen neuen Licht-Materie-Zustand erzeugt – einen Zustand, der für die Entwicklung neuer Materialeigenschaften genutzt werden könnte. Ihr Kommentar wurde in Nature Materials veröffentlicht.
Während Licht an sich aus der Perspektive der klassischen und Quantenphysik gut verstanden ist, haben die Effekte, die sich aus seiner Wechselwirkung mit Materie ergeben, zu einem weiten Feld der Materialforschung geführt. Dieses ist die Basis für viele technologische Anwendungen, wie z.B. Solarzellen, bleibt aber auch im Bereich der Grundlagen- und theoretischen Forschung relevant.
Bislang wurde die Rolle der Symmetrien des Lichts weitgehend als einfache Aufhebung der Symmetrie der Elektronen im Kristall angesehen. Neuere Arbeiten mit sehr starken Lasern haben jedoch die Aufmerksamkeit wieder auf die gegenseitige Wechselwirkung von Lichtpolarisation und Kristall gelenkt. Eine besonders wichtige Symmetrie ist dabei die Fähigkeit des Lichts, Chiralität zu erreichen, also eine definierte Händigkeit seiner Polarisation.
Am bemerkenswertesten sind Experimente, bei denen die kontinuierliche Anregung eines Materials mit einem Laser zu einem kombinierten Zustand von Licht und Elektronen führt, einem sogenannten bekleideten Zustand (engl. dressed state), der das Verhalten des Materials als Ganzes verändert. Diese Quantenzustände hängen dann sowohl von der Symmetrie des Kristalls als auch von der Symmetrie des Lichts ab, die gemeinsam die Materialeigenschaften bestimmen.
Die neue Sichtweise ist, dass Licht als ein konstituierender Teil des Zustandes und nicht als eine brechende Störung gesehen werden muss. In diesem Kommentar erörtern die Autoren die Tragweite dieser sich herausbildenden Sichtweise der Licht-Materie-Wechselwirkung und untersuchen ihre Perspektive für neue Ansätze beim Materialdesign. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf Quantenmaterialien: Materialien mit Eigenschaften, die auf makroskopischer Ebene von Effekten der Quantenmechanik bestimmt werden. Diese neu entstehenden Eigenschaften können neuartige Funktionalitäten des Materials erzeugen und werden als ein Weg zur Entwicklung von "Materialeigenschaften nach Bedarf" betrachtet.
Die beiden Hauptakteure in dem neuen Paradigma des durch Licht gesteuerten Materialdesigns sind Elektronen und Photonen. Die Forscher zeigen, dass einige Eigenschaften ihres kombinierten Quantenverhaltens sogar aus ihrer dynamischen Wechselwirkung abgeleitet werden können, wenn Licht als ein klassisches (Nicht-Quanten-) Feld betrachtet wird.
Ein anschauliches Beispiel für diesen Gesichtspunkt ist der Effekt von zirkular polarisiertem Licht und die Rolle, die es bei der Veränderung der Zeitumkehrsymmetrie der elektronischen Struktur spielt. Dies ist eine der folgenreichsten Symmetrien für die Eigenschaften von Materialien. Es ist bekannt, dass Magnetfelder die Zeitumkehrsymmetrie von Elektronen in Materialien brechen, weil sie sie auf zirkulare Bahnen schicken, die sich je nach Vorzeichen ihres Impulses unterscheiden.
In ähnlicher Weise wirkt ein zirkular polarisiertes Lichtfeld auf Elektronen mit entgegengesetzten Impulsen in entgegengesetzter Weise. Infolgedessen können die Dynamik und damit die Eigenschaften von Materialien grundlegend unterschiedlich sein, wenn ein solches die zeitliche Umkehrung der Symmetrie brechendes Feld die elektronische Struktur bekleidet. In neueren Experimenten wurden zirkular polarisierte Laser recht erfolgreich eingesetzt, um die Zeitumkehrsymmetrie in Materialien vorübergehend zu brechen.
Der neue Ansatz zum Materialdesign, mit dem sich dieser Artikel befasst, macht sich ein faszinierendes Phänomen zunutze: Die Auswirkungen der gleichwertigen Betrachtung von Licht und Elektronen werden noch auffälliger, wenn das Licht in einem optischen Resonator oder Hohlraumresonator eingeschlossen ist. In solchen Systemen, in denen das Licht auf sehr kleinen Längen hin und her reflektiert wird, so dass nur wohldefinierte Moden des Feldes aufrechterhalten werden können, macht sich die Quantenstruktur des elektromagnetischen Feldes bemerkbar und es muss als einzelne Lichtteilchen (Photonen) beschrieben werden.
Man kann sich diese Anordnungen so vorstellen, dass sie Photonen wie in einer Dose bereitstellen, also einem geschlossenen Behälter mit einer bestimmten Art von Photonen. Die Eigenschaften der Photonen im Inneren der Dose werden durch die Größe, Form und Struktur der Wände bestimmt. Solche Hohlraumresonatoren werden seit langem zur Kontrolle und Manipulation des elektromagnetischen Feldes verwendet, insbesondere für die Herstellung von Lasern. In der Materialwissenschaft sind sie jedoch zunehmend von Bedeutung.
Das liegt daran, dass ein Photon, das zusammen mit einem Material in einem Hohlraum gefangen ist, mit seiner elektronischen und sogar kristallinen Struktur auf Quantenebene wechselwirkt. Diese Wechselwirkung und die Bildung von Licht-Materie-Hybridzuständen kann neuartige Materialeigenschaften erzeugen.