Mikrowellen enthüllen detaillierte Struktur eines molekularen Motors
Untersuchungstechnik ermöglicht Analyse von Nanomaschinen in Aktion
Der künstliche molekulare Motor ist von dem Team des niederländischen Nobelpreisträgers Ben Feringa an der Universität Groningen hergestellt worden. Feringa, der auch Ko-Autor der Studie ist, hatte 2016 zusammen mit Jean-Pierre Sauvage von der Universität Straßburg und Sir Fraser Stoddart von der Northwestern University in den USA den Chemie-Nobelpreis für Entwurf und Herstellung von molekularen Maschinen bekommen.
„Die Funktion solcher Nano-Maschinen ergibt sich ganz offensichtlich aus ihren einzigartigen strukturellen Eigenschaften“, schreiben die Autoren in ihrer Studie. „Um die molekulare Maschinerie besser zu verstehen und zu optimieren, ist es wichtig, ihre genaue Struktur zu kennen und zu verstehen, wie sich diese Struktur während wichtiger mechanischer Schritte verändert. Vorzugsweise unter Bedingungen, unter denen das System nicht durch äußere Einflüsse gestört wird.“
Das jetzt untersuchte Motormolekül ist sehr vielversprechend für eine Reihe von Anwendungen, wie Hauptautor Sérgio Domingos von DESY und vom MPSD erläutert: „Chemiker sind ganz verrückt nach diesem Molekül und versuchen, es mit einer Reihe anderer Moleküle zu verbinden.“ Die Nano-Maschine wird durch Licht aktiviert und durchläuft dann eine Folge photochemischer und thermischer Schritte, durch die sie eine halbe Drehung vollführt. Ein erneuter Auslöser lässt den Motor dann eine komplette Rotation vollenden, so dass er in seine Ausgangsposition zurückkehrt.
„So eine lichtgesteuerte Aktivierung ist ideal, denn sie erlaubt, den Motor auf nicht-invasive und eng lokalisierte Weise fernzusteuern“, sagt Domingos. „So könnte das Molekül etwa mit einer Arznei verbunden werden, so dass sich diese lichtgesteuert präzise am gewünschten Ort im Körper ausschütten und aktivieren ließe – die lichtaktivierten Medikamente der Zukunft. Aber auch Anwendungen wie eine lichtgesteuerte Katalyse oder eine Bewegungsübertragung von der molekularen Ebene auf die makroskopische Welt wären interessante Perspektiven. Für solche Anwendungen ist es wichtig, die genaue Struktur und Arbeitsweise des Motormoleküls zu verstehen.“
Der atomare Aufbau des Motormoleküls war bereits mit Röntgenstrahlung untersucht worden. Für diese Untersuchungsmethode mussten die Moleküle zunächst zu Kristallen gezüchtet werden. Die Kristalle beugen die Röntgenstrahlung dann auf charakteristische Weise, und aus dem resultierenden Beugungsmuster lässt sich die Anordnung der Atome berechnen. „Im Gegensatz dazu haben wir isolierte Moleküle in einem Gas untersucht“, erläutert Schnell, die Leitende Wissenschaftlerin bei DESY ist und am Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) arbeitet, einer Kooperation von DESY, Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesellschaft. „Auf diese Weise können wir das Molekül so sehen, wie es wirklich ist, frei von allen äußeren Einflüssen wie Lösungsmitteln oder chemischen Bindungen.“
Um die Struktur der Moleküle zu bestimmen, wurden sie einem resonanten Mikrowellenfeld ausgesetzt. „Wir haben ein elektromagnetisches Feld benutzt, um alle Moleküle kohärent in dieselbe Richtung auszurichten, und haben dann ihre Relaxation beobachtet, sobald das Feld abgeschaltet wurde“, berichtet Schnell, die auch eine Forschungsgruppe am MPSD leitet und Professorin für Physikalische Chemie an der Universität Kiel ist. „Das liefert uns die Rotationskonstanten des Moleküls, die uns wiederum genaue Informationen über seinen strukturellen Aufbau liefern.“
Diese sogenannte Mikrowellenspektroskopie ist nicht simpel: Im Fall des Motormoleküls mussten die Forscher mehr als 200 Linien im Spektrum mit quantenchemischen Modellrechnungen zur Deckung bringen. „Gemessen an der Zahl der Atome ist der molekulare Motor gegenwärtig das größte Molekül, dessen Struktur bislang mit Hilfe der Mikrowellenspektroskopie gelöst worden ist“, betont Schnell.
Um die Moleküle in der Mikrowellenkammer zum Fliegen zu bringen, mussten sie zunächst auf 180 Grad Celsius aufgeheitzt und dann extrem schnell auf minus 271 Grad abgekühlt werden. „Das Aufheizen hat manche der Motoren an der Achse auseinanderbrechen lassen“, berichtet Domingos. „Auf diese Weise konnten wir den Rotor und den Stator unabhängig voneinander untersuchen und dabei ihre jeweilige Struktur bestätigen. Das liefert uns auch Hinweise auf den Mechanismus, über den sie auseinanderbrechen.“
Die Analyse lieferte einige kleine Abweichungen zur Strukturbestimmung mit Röntgenstrahlung, bei der die Moleküle im Kristall miteinander wechselwirken. „Das zeigt, dass die Struktur des Motors unzweifelhaft von seiner Umgebung beeinflusst wird“, sagt Domingos. Noch bedeutender ist jedoch, dass die Mikrowellentechnik die Untersuchung der Dynamik der Motormoleküle ermöglicht. „Jetzt, da wir das Molekül sehen, wie es wirklich ist, wollen wir es in der Bewegung einfangen“, unterstreicht Domingos. Der Rotor geht durch ein Zwischenstadium, das mit drei Minuten lange genug dauert, um sich mit Mikrowellenspektroskopie untersuchen zu lassen. Die Forscher planen bereits derartige Untersuchungen, um im Detail zu verstehen, wie der molekulare Motor funktioniert.
Die Arbeit ist bei DESY und am Hamburger Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie durchgeführt worden, mit starker Beteiligung der Universitäten Amsterdam und Groningen in den Niederlanden. Der Hamburger Exzellenzcluster Centre for Ultrafast Imaging (CUI) und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung haben die Arbeit unterstützt.