Kontrolle thermoelektrischer Ströme mittels Quantenbeobachtungen
Thermische und elektrische Ströme in Nanostrukturen lassen sich durch lokale Quantenbeobachtungen steuern
Messungen spielen eine fundamentale Rolle in der Quantenmechanik und sind gleichzeitig tief mit der Frage der Interpretation der Quantenphysik verwurzelt. Die bekannteste Illustration der Prinzipien der Superposition und Verschränkung in der Quantenphysik ist Schrödingers Katze. Diese Katze befindet sich, von außen nicht sichtbar, in einer kohärenten Überlagerung zweier Zustände, sie ist zur gleichen Zeit lebendig als auch tot.
Durch eine Messung bricht diese Superposition auf einen konkreten Zustand zusammen, die Katze ist nun entweder tot oder lebendig. In diesem Gedankenexperiment wird der Messprozess der "Quantenkatze" als eine Wechselwirkung mit einem makroskopischen Objekt angesehen welche die Kohärenz des Quantensystems zerstört.
Im neu veröffentlichten Artikel im Journal Natur PJ Quantum Materials haben Wissenschaftler aus dem MPSD (Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie) bei CFEL (Zentrum für Freie-Elektronen-Laser-Wissenschaft) in Hamburg zusammen mit Mitarbeitern der Universität des Baskenlandes (UPV/EHU) in San Sebastian und dem Bremer Zentrum für Computational Materials Science (BCCMS) entdeckt, dass ein mikroskopischer Quantenbeobachter in der Lage ist, thermische und elektrische Ströme in Geräten auf der Nanometerskala zu kontrollieren.
Diese lokale Quantenbeobachtung eines Systems kann kontinuierliche und dynamische Änderungen in seiner Quantenkohärenz erzeugen, so dass Partikel- und Energieströme in Nanosystemen gesteuert werden können.
Klassische Nichtgleichgewichtsthermodynamik wurde entwickelt, um den Strom von Partikeln und Energie zwischen mehreren Hitze- und Partikelreservoirs zu verstehen. Das bekannteste Beispiel ist die Formulierung des zweiten Gesetzes der Thermodynamik von Clausius, aus der hervorgeht, dass, wenn zwei Gegenstände mit unterschiedlichen Temperaturen in Berührung gebracht werden, Wärme ausschließlich von dem heißeren zum kälteren Objekt fließen kann.
Bei makroskopischen Objekten werden weder der Energiefluss als auch der Teilchenfluss zwischen den Objekten nicht durch die Beobachtung des Prozesses verändert. In der Quantenwelt sieht dies jedoch anders aus, hier müssen klassische thermodynamische Konzepte hinterfragt und rekapituliert werden. Wenn ein makroskopischer Beobachter ein Quantensystem misst, zerstört dieser Messprozess den größten Teil der Kohärenz innerhalb des Systems und bestimmt seine Dynamik.
Wenn stattdessen ein mikroskopisch kleiner Quantenbeobachter nur lokal wirkt, ändert sich die Quantenkohärenz des Systems kontinuierlich und dynamisch. Dadurch wird ein weiteres Maß an Kontrolle über seine Eigenschaften erreicht. Je nachdem, wie stark und wo diese lokalen Quantenbeobachtungen durchgeführt werden, entstehen neue und überraschende Quanten Transportphänomene.
Die Gruppe von Prof. Angel Rubio an der Theorieabteilung des MPSD zusammen mit ihren Forschungspartnern haben gezeigt, wie das Konzept der Quantenmessungen neue Möglichkeiten für die thermodynamische Steuerung der Energie und Teilchenströme in Quantensystemen bieten kann. Dieses Konzept bietet Möglichkeiten weit über denen, die durch die Anwendung von klassischen thermischen Reservoirs möglich sind.
Die Wissenschaftler studierten dieses theoretische Konzept in einer Brownschen Quantenratsche. Innerhalb dieses Systems sind die linke und rechte Seite jeweils mit einem heißen und einem kalten thermischen Bad verbunden. Diese Konfiguration lässt die Energie von heiß nach kalt fließen, während die Elektronen im Uhrzeigersinn innerhalb der Brownschen Ratsche fließen. Die Wirkung eines Quantenbeobachters zwingt jedoch, diesen Elektronenstrom gegen die natürliche Richtung der Nanomaschine zu fließen. Dieses Phänomen wird durch die Lokalisierung des elektronischen Zustandes und die Störung der Symmetrie des Systems verursacht.
Darüber hinaus ist die Quantenbeobachtung in der Lage, die Richtung des Wärmestroms umzukehren, was einen Widerspruch des zweiten Gesetzes der Thermodynamik darzustellen scheint. "Diese Kontrollmöglichkeit der thermoelektrischen Ströme könnte verschiedene Strategien eröffnen, um quantenmechanische Transportsysteme zu konzipieren mit Anwendungen in der Thermoelektrizität, Spintronik, Photonik und Sensorik. Diese Ergebnisse waren ein wichtiger Beitrag zu meiner Doktorarbeit", sagt Robert Biele, Erstautor der Publikation.
Diese Forschungsarbeit hebt die fundamentale Rolle eines Quantenbeobachters hervor: Im Gegensatz zur Schrödinger Katze, wo die kohärente Überlagerung von Zuständen durch die Wechselwirkung mit einem makroskopischen "Beobachter" zerstört wird, ändert der lokale Quantenbeobachter örtlich und dynamisch die Kohärenz und ermöglicht damit eine feine Einstellung zwischen diesen Quantenzuständen. "Dies zeigt, wie anders sich die Thermodynamik im Quantenregime verhält. Schrödingers Katzenparadox führt zu neuen thermodynamischen Kräften, die nie zuvor gesehen wurden ", ergänzt César A. Rodríguez Rosario.
Zukünftig werden die Forscher dieses Konzept anwenden, um Spins für Anwendungen in Spin-Injektion und neuartige Magnetspeicher zu kontrollieren. Angel Rubio suggeriert: "Dieser Quantenbeobachter - der bisher nur die Partikel- und Energieübertragung im Nanometerbereich kontrolliert- könnte auch einzelne Komponenten des Spins messen und damit Spin-polarisierte Ströme ohne Spin-Bahn-Wechselwirkung erzeugen. Dies könnte verwendet werden, um Magnetspeicher zu schreiben."
Diese Untersuchungen wurde in Zusammenarbeit vom Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) in Hamburg mit der NanoBio-Spektroskopie-Gruppe an der Universität des Baskenlandes in San Sebastian (UPV/EHU) und dem Bremer Zentrum für Computational Materials Science (BCCMS) durchgeführt. Die Finanzierung erfolgte durch den European Research Council Advanced Grant "Qspec-NewMat", Grupos Consolidados del Gobierno Vasco und den Marie Skłodowska-Curie Actions - Individual Fellowships.